22. März 2015, 10 Minuten für
meine Gefühle jeden Tag.
Ich wollte den
Schmetterlingsprozess schön in seiner Reihenfolge beschreiben, doch ich bemerke
gerade, so ist nicht die Natur dieses Prozesses. Die Dinge passieren
gleichzeitig.
Die Raupe löst sich auf in
Zellbrei. Durch die Ruhe und Stille und das Angebot der Nahrung trauen sich die
Imagozellen sich zu vermehren. Die erste Generation wächst heran – doch da
passiert das ungeheuerliche und doch so klar verständliche: das Immunsystem der
Raupe, erkennt diese Zellen nicht als die ihren. Sie schwingen höher und
anders. Das Immunsystem der Raupe bringt die Imagozellen der ersten Generation
komplett um. Die Raupe verhindert den Wachstum des Schmetterlings. Obwohl das
eine Tier aus dem anderen hervorgeht und es sich gleichzeitig braucht und
unabdingbar aufeinander aufbaut, die Raupe wird zum Schmetterling, der legt
Eier und die werden zur Raupe, die zum Schmetterling wird. Und obwohl der Schmetterling
der langersehnte Daseinsteil ist, tötet die Raupe ihn. Die Raupe hat Angst
nicht mehr zu existieren, mit recht, sie löst sich auf, sie dient als Nahrung,
ihr Daseinszustand löst sich vollkommen auf. Und wie der Ego in uns, so wehrt
sich die Raupe mit Händen und Füßen dagegen, sich aufzulösen. Auch wenn
hinterher Liebe, Licht und Glück herauskommt, das Ego hat vor nichts mehr Angst
als eben davor. Wir fürchten am aller meisten nicht Schmerz oder Leid, wir
fürchten die Liebe, weil sie uns auflöst.
So wie das Aschenputtel vor lauter
Schreck tatsächlich so schön zu sein, dass sie mit dem Königssohn tanzt davon
läuft. Wie oft habe ich mich erlebt, davon laufend, alles kaputt machen, was
schön war aus Angst die Kontrolle zu verlieren und mich aufzulösen. Unter der
Angst vor Liebe ist die große Angst der Auflösung, die Angst NICHTS zu sein.
Nicht verbunden. Wir laufen davon, wir verhindern unsere Heilung. Die
Spannbreite der Ausweichmanöver, der Abwehr, des Widerstandes sind perfide und
werden sofort getarnt vor unserem Bewusstsein. Wir haben immer einen guten
Grund. Unser Denksystem ist da perfekt und sehr einfallsreich. Im Zweifelsfall
sind die anderen Schuld. Und da ich als Opfer Täterschutz habe, brauch ich
nicht über mein Handeln nachdenken. Auch wenn ich schon tausend Mal auf die
Nase gefallen bin mit meinen eigenen Widerständen, wiederhole ich sie. Wieder
und wieder.
Es gilt ein Paradoxon zu lernen
und es unbedingt selber auszuprobieren, weil es nichts nützt, wenn andere es
raten oder man es intellektuell versteht oder liest. Weisheit kann man nicht
erlesen, nur erfahren. Und wenn man es einmal selber erlebt hat, dann brauch
man nicht mehr glauben, sondern dann weiß man und nichts kann dieses Wissen
erschüttern.
Normalerweise, wenn ich etwas
loswerden will, dann schneide ich es ab, werf es weg, entsorge es. Doch wir
haben es alle erlebt. Gerade die Dinge, die wir unbedingt loswerden wollen,
kleben an uns getrockneter Beton. Wir rennen immer wieder weg und in der
nächsten Beziehung ist es wie auf mystische Weise wieder genauso – und wir
reden uns ein, dass wir das ja nicht ahnen konnte, wir wussten ja vorher nicht,
der oder die genauso ist wie der oder die Ex... doch, unser Unterbewusstsein
weiß das, sucht das. Es will so lange in Wiederholungsschleifen, in
Nachtraumatisierung sein, bis wir es kapiert habe. Bis wir anders handeln, bis
wir andere Erfahrungen erlauben und erleben. Da wo du in immer währenden
Wiederholungsschleifen sitzt, kannst du sicher sein, dass du deinem Widerstand
immer wieder auf den Leim gehst.
Das Paradoxon besteht daraus, dass
wenn ich etwas loswerden will, ich mich gerade dem 100% hingeben muss. Da wo
ich den größten Widerstand habe, da liegt der Weg. Oh ja, das ist zum Kotzen.
Das ist der ekelhafteste und schrecklichste Schritt auf Erden. Ganz bestimmt.
Ich soll mich meiner Abhängigkeit, meiner Faulheit, meinen schlechten Gefühlen
über mich zu 100% hingeben, wieso?
Ich soll vor allem annehmen, dass
all diese Gefühle meine sind und nicht die, die die anderen mir gemacht haben. Ja,
genau.
Jedes Gefühl ist eine Energie und
wenn wir es abwehren, bleibt es bestehen, wenn wir es durch uns hindurch
fließen lassen, bewegt es sich. Das Kamel muss durch das Nadelöhr. Scheinbar
unmöglich und wenn man diese Methode gelernt hat, fast lächerlich einfach. Ich
gehe nicht hin und haue jemanden wenn ich wütend bin, aber ich setze mich hin,
alleine für mich und fühle meine Wut. In dem Moment wo ich bereit bin meine
Abhängigkeit hier zu Hause auf meinem Meditationskissen zu fühlen, da brauche
ich sie nicht mehr leben. Ich kann jedes Gefühl durchfühlen und es geht
blitzschnell. Die Wissenschaftler sagen heute 90 Sekunden würde ein Gefühl
durch den Körper laufen. Durch das Fühlen eines niedriger schwingenden Gefühles
transformieren wir es auf eine höhere, leichtere Ebene. Es fühlt sich paradox
an, mich eben dem hinzugeben, was ich vermeiden will und es dadurch aufzulösen,
zu transformieren – aber nur so funktioniert es. Und auch wenn wir es alle
schon an so vielen Stellen gelesen haben, wir werden es erst als tägliches
Handwerkszeug akzeptieren und nutzen, wenn wir es selber in uns erfahren haben.
Übung: Jeden Tag in den nächsten
54 Tagen setze ich mich 10 Minuten hin und suche nach einem unangenehmen Gefühl
in mir. Bitte darum, dass sich eines Dir zeigt, was heute transformiert werden
kann. Dein System ist vertrauenswürdig und wird dir genau das geben, was du
heute verkraften kannst und dir helfen wird. Und dann stelle deine Uhr, deinen
Wecker, du bliebst nun 10 Minuten sitzen, egal was passiert. Egal wie sehr dich
dein System aus dem Sessel kicken möchte. Egal wie dringend plötzlich alle zu
erledigenden Arbeiten erscheinen. Egal wie stark die Wut, das Nichts, die
Leere, die Trauer ist. Du bleibst da. Du fühlst es. Du sagst deinem Gefühl,
dass du heute das erste Mal bereit bist bei ihm zu bleiben. Du wirst es
begleiten und da sein. Dein System weiß, dass es nun 10 Minuten hat und dann
erst wird der Wecker klingeln. Schließe deine Augen und öffne sie erst wieder
wenn der Wecker klingelt. Halte durch. Sei bei dir und diesem Gefühl und lenke
deine Aufmerksamkeit immer wieder und wieder in das Gefühl.
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