und ich mag das nicht mehr verstecken. Ich bin gestern noch mal eine Etage tiefer in mein Dasein
gefallen. Und wieder neue Schichten der Lüge in mir aufgedeckt. Seit Wochen
frage ich mich, woher kommen diese krassen Nackenschmerzen, dieser Druck, diese
Getriebenheit? Ich liebe meine Arbeit und gleichzeitig macht sie mich krank.
Irgendwas ist noch so schief in mir, was ist da los??? Irgendwas konnte ich
noch nicht sehen. Ich arbeite weiter, obwohl ich mich krank fühle. Ich habe
immer weiter gearbeitet, auch in den schlimmsten Zeiten, wenigstens geschrieben
habe ich jeden Tag. Wenigstens noch eine Kommunikation nach außen
aufrechterhalten, auch wenn sonst nichts mehr geht... und genau da ist der
Punkt mit dem ich einsteigen kann.
Ich verstecke diese Stelle vor mir, so lange ich denken kann. Ich
habe ein Problem mit Menschen im Kontakt zu sein. Jeder, der mich kennt würde
sagen, dass ist eine Frau, die super schnell Menschen kennen lernt, die alle
mögen, auch wenn sie so direkt ist – die ein soziales Netz hat, Freunde,
Familie. Doch ich bin in all dem nicht verbunden. Nicht wirklich. Ich arbeite
für diese Verbindungen. Ich habe gar keine Ahnung, was übrig bleiben würde,
wenn ich aufhöre dafür zu arbeiten. Nicht viel, sagt ein Teil in mir, schau
doch hin, wie einsam du bist. Ich weiß, da liegt eine Verwirrung vor. Ich folge
nun dem Pfad ins Dunkel und höre mir die Wahrheit meines inneren Kindes an. Da
ist niemand, sagt es. Ich bin so alleine, so verloren. Und so ist auch mein
Alltag im Heute, sagt sie. Wenn ich die Klienten und die Arbeitskollegen mal weglasse
– ich hab das gerade getestet als ich einen Wirkungskreis verlassen habe – wer
bleibt übrig, wenn wir zB eine Schule verlassen, vorher war es ein ganzer
Schwarm und dann sind es ein zwei Menschen, alle anderen haben keine Zeit. Wer
bleibt übrig, wenn ich hier auf FB aufhöre zu schreiben, wer besucht mich live,
wer ruft mich an und fragt, wies mir geht? Vielleicht zwei. Ich bin nicht
verbunden. Ich habe kein Netz, kein Feld. Das ist die Wahrheit und ich täusche
mich selber über diese Wahrheit hinweg. Selbst für die Bindung mit meinen
Kindern arbeite ich, sagt das innere Kind. Solange ich denken kann, arbeite
dieses innere Kind dafür geliebt, gesehen und dabei zu sein. Dabei sein reicht
schon, dann ist es schon glücklich. Meine Klienten und Workshopteilnehmer sind
mein Freundesfeld, die Facebookleser meine Familie – wie oft habe ich schon den
Ausdruck Bookfamilie gelesen.... ich bin da wohl nicht die einzige, die das
verwechselt. Eine fiktive Welt die mich meine innere Einsamkeit nicht mehr so
einsam spüren lässt. Aber es hilft nicht. In Wirklichkeit bin ich Innen immer
noch genauso einsam und das treibt mich weiter an, noch mehr dafür zu arbeiten,
dass ich dazu gehöre. Daher kommt meine Getriebenheit und diese ganze never
ending story.... und die große Nina weiß, es sind nicht die Anderen, die nicht
kommen, es bin ich, die sich nicht verbinden kann. Ich kann die Verbindungen
nicht aufrecht halten und gleichzeitig leide ich wie Hund unter dem, was ich
nicht kann. Ich vermisse die Menschen und kann nicht in den Kontakt gehen.
Ich saß gestern beim 1. Hearing der unabhängigen Kommission zur
Aufarbeitung Sexuellen Missbrauchs. Ich saß im Publikum und habe mir die
Geschichten der mutigen Frauen und Männer dort auf dem Podium angehört. Ich
habe den ganzen Tag geweint. Und ich habe diese tiefe Einsamkeit und die
lebenslange Überlebensstrategie so krass benannt von den Menschen dort, in mir
wiedererkannt... mir war nicht klar, dass das mein Hauptproblem ist. Klar, wenn
man 40 Jahre lang alleine war mit der Geschichte eines Missbrauchs im Petto –
Teile meiner Familie wollen die Geschichte immer noch nicht hören und verbannen
mich. Das habe ich von klein auf erlebt. Und genau das ist die Folge, die in
meinen Augen schlimmste Folge von sexuellem Missbrauch, die sich da bei mir
zeigt und bei allen die ich gestern gehört habe – ich habe nie gelernt mich mit
dem was in mir ist, mit der schwere, der ganzen Geschichte und allem was dazu
gehört mich mit einem Menschen zu verbinden.
Da ist keiner, der die Geschichte hören mag. Und schon gar nicht
zum zehnten Mal. Keiner der die Kraft hat oder die Zeit, sich das anzuhören. Gar
zu helfen, gemeinsam aufzuarbeiten. Später bezahlt man die Therapeuten dafür,
als wären sie die beste Freundin und dann kommt dann die zweijährige
Therapiepause und man steht alleine da. Keine Freundin...
Millionen von Kindheiten sind genauso abgelaufen. Eine Millionen
Kinder und Jugendliche sind es zur Zeit, die sexuell missbraucht wurden – das
sind die Zahlen vom Bund – Wo hören wir von ihnen? Wo lesen wir ihre
Geschichten? Noch immer wird geschwiegen. Noch immer ist das zu schwer für die
Angehörigen. Freunde und Nachbarn schauen immer noch lieber weg – oder wer von
uns kennt diese sexuell missbrauchten Kinder? Eine Millionen bedeutet in jeder
Klasse 1-2 Kinder. Jeder von uns kennt welche und weiß nichts davon. Und das
macht bei den Kindern das lebenslange Gefühl nicht dazuzugehören, unverbunden
zu sein. Ist nicht schlimm? Doch. Es ist die Hölle. Das ist Isolationshaft,
weil man das Opfer ist und Hilfe braucht und dennoch ausgegrenzt wird und diese
Gefühle dürfen wir nicht zeigen, weil das wieder zu schwer wäre und das zu
schwer sein ist ja der Grund warum es ein Tabu ist. Es hilft auch nicht, dass
die Psychologen dafür inzwischen eine Fachbegriff der sekundären Victimisierung
eingeführt haben. Also machen wir uns dauernd leicht, sind Pausenclowns oder
Helfer, Therapeuten um wenigstens darüber dabei zu sein... und Einsamkeit tut
so weh. Es tut so weh. Gestern sagte eine Buchautorin, es nützt auch nichts
wenn man ein Buch schreibt, 5000 Facebookfreunde hat und auf Podien eingeladen wird – die Einsamkeit bleibt.
Was tatsächlich hilft ist zu spüren, dass es allen die ein
schlimmes Trauma erlebt haben so ergeht.
Ich bin seit Jahren krank und lasse mich nicht krank schreiben,
weil ich Angst habe, dass ich dann die paar Fäden an menschlichem Kontakt auch
noch verlieren. Auch das habe ich gestern mehrmals gehört in den Geschichten
der andere Überlebenden. Wenn ich nicht mehr arbeite, sehe ich ja niemanden
mehr. Und ich hab Angst vor dieser Isolation, die ich im Innern immer fühle.
Also arbeite ich weiter und ich kann aber nicht mehr. Ich bin völlig
ausgebrannt davon.
Ich hab grad überhaupt keine Ahnung, was ich hiermit mache. Ich
hab die ganze Nacht wach gelegen und geweint. Ich kann mich nur endlich krank
schreiben lassen und mich der größten Angst meines inneren Kindes stellen und
sie begleiten.
Ich begleite dieses innere Kind schon seit Jahren und helfe ihm
die Einsamkeit tragen, dann sind wir innen gemeinsam – ich kann mich versorgen,
meditieren und gut für mich kochen und schöne Zeit mit mir verbringen – doch
was ich, auch die große Frau, eigentlich will sind Verbindungen, Menschen,
Freundschaften, eine Mann. Ich habe noch nie eine Liebesbeziehung auf
Augenhöhe, gesund und tragend gelebt. Mir ist all das Geld und Prestige und
Ansehen völlig wurscht, ich möchte verbunden sein und fähig sein, dies zu leben
ohne dass ich innerlich dafür arbeite. Und ich hab kein Ahnung wie das geht. Und
ich bin genauso und ich mag das nicht mehr verstecken. Ich mag meine ganze
Verletzlichkeit und meine Schwere hier zeigen. Denn genauso bin ich. AHO
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AntwortenLöschenwow, danke.....bin tief berührt und kann jedes Wort nachfühlen.
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