Mittwoch, 1. Februar 2017

Ich bin verdammt scheiss einsam.

und ich mag das nicht mehr verstecken. Ich bin gestern noch mal eine Etage tiefer in mein Dasein gefallen. Und wieder neue Schichten der Lüge in mir aufgedeckt. Seit Wochen frage ich mich, woher kommen diese krassen Nackenschmerzen, dieser Druck, diese Getriebenheit? Ich liebe meine Arbeit und gleichzeitig macht sie mich krank. Irgendwas ist noch so schief in mir, was ist da los??? Irgendwas konnte ich noch nicht sehen. Ich arbeite weiter, obwohl ich mich krank fühle. Ich habe immer weiter gearbeitet, auch in den schlimmsten Zeiten, wenigstens geschrieben habe ich jeden Tag. Wenigstens noch eine Kommunikation nach außen aufrechterhalten, auch wenn sonst nichts mehr geht... und genau da ist der Punkt mit dem ich einsteigen kann.
Ich verstecke diese Stelle vor mir, so lange ich denken kann. Ich habe ein Problem mit Menschen im Kontakt zu sein. Jeder, der mich kennt würde sagen, dass ist eine Frau, die super schnell Menschen kennen lernt, die alle mögen, auch wenn sie so direkt ist – die ein soziales Netz hat, Freunde, Familie. Doch ich bin in all dem nicht verbunden. Nicht wirklich. Ich arbeite für diese Verbindungen. Ich habe gar keine Ahnung, was übrig bleiben würde, wenn ich aufhöre dafür zu arbeiten. Nicht viel, sagt ein Teil in mir, schau doch hin, wie einsam du bist. Ich weiß, da liegt eine Verwirrung vor. Ich folge nun dem Pfad ins Dunkel und höre mir die Wahrheit meines inneren Kindes an. Da ist niemand, sagt es. Ich bin so alleine, so verloren. Und so ist auch mein Alltag im Heute, sagt sie. Wenn ich die Klienten und die Arbeitskollegen mal weglasse – ich hab das gerade getestet als ich einen Wirkungskreis verlassen habe – wer bleibt übrig, wenn wir zB eine Schule verlassen, vorher war es ein ganzer Schwarm und dann sind es ein zwei Menschen, alle anderen haben keine Zeit. Wer bleibt übrig, wenn ich hier auf FB aufhöre zu schreiben, wer besucht mich live, wer ruft mich an und fragt, wies mir geht? Vielleicht zwei. Ich bin nicht verbunden. Ich habe kein Netz, kein Feld. Das ist die Wahrheit und ich täusche mich selber über diese Wahrheit hinweg. Selbst für die Bindung mit meinen Kindern arbeite ich, sagt das innere Kind. Solange ich denken kann, arbeite dieses innere Kind dafür geliebt, gesehen und dabei zu sein. Dabei sein reicht schon, dann ist es schon glücklich. Meine Klienten und Workshopteilnehmer sind mein Freundesfeld, die Facebookleser meine Familie – wie oft habe ich schon den Ausdruck Bookfamilie gelesen.... ich bin da wohl nicht die einzige, die das verwechselt. Eine fiktive Welt die mich meine innere Einsamkeit nicht mehr so einsam spüren lässt. Aber es hilft nicht. In Wirklichkeit bin ich Innen immer noch genauso einsam und das treibt mich weiter an, noch mehr dafür zu arbeiten, dass ich dazu gehöre. Daher kommt meine Getriebenheit und diese ganze never ending story.... und die große Nina weiß, es sind nicht die Anderen, die nicht kommen, es bin ich, die sich nicht verbinden kann. Ich kann die Verbindungen nicht aufrecht halten und gleichzeitig leide ich wie Hund unter dem, was ich nicht kann. Ich vermisse die Menschen und kann nicht in den Kontakt gehen.
Ich saß gestern beim 1. Hearing der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung Sexuellen Missbrauchs. Ich saß im Publikum und habe mir die Geschichten der mutigen Frauen und Männer dort auf dem Podium angehört. Ich habe den ganzen Tag geweint. Und ich habe diese tiefe Einsamkeit und die lebenslange Überlebensstrategie so krass benannt von den Menschen dort, in mir wiedererkannt... mir war nicht klar, dass das mein Hauptproblem ist. Klar, wenn man 40 Jahre lang alleine war mit der Geschichte eines Missbrauchs im Petto – Teile meiner Familie wollen die Geschichte immer noch nicht hören und verbannen mich. Das habe ich von klein auf erlebt. Und genau das ist die Folge, die in meinen Augen schlimmste Folge von sexuellem Missbrauch, die sich da bei mir zeigt und bei allen die ich gestern gehört habe – ich habe nie gelernt mich mit dem was in mir ist, mit der schwere, der ganzen Geschichte und allem was dazu gehört mich mit einem Menschen zu verbinden.
Da ist keiner, der die Geschichte hören mag. Und schon gar nicht zum zehnten Mal. Keiner der die Kraft hat oder die Zeit, sich das anzuhören. Gar zu helfen, gemeinsam aufzuarbeiten. Später bezahlt man die Therapeuten dafür, als wären sie die beste Freundin und dann kommt dann die zweijährige Therapiepause und man steht alleine da. Keine Freundin...
Millionen von Kindheiten sind genauso abgelaufen. Eine Millionen Kinder und Jugendliche sind es zur Zeit, die sexuell missbraucht wurden – das sind die Zahlen vom Bund – Wo hören wir von ihnen? Wo lesen wir ihre Geschichten? Noch immer wird geschwiegen. Noch immer ist das zu schwer für die Angehörigen. Freunde und Nachbarn schauen immer noch lieber weg – oder wer von uns kennt diese sexuell missbrauchten Kinder? Eine Millionen bedeutet in jeder Klasse 1-2 Kinder. Jeder von uns kennt welche und weiß nichts davon. Und das macht bei den Kindern das lebenslange Gefühl nicht dazuzugehören, unverbunden zu sein. Ist nicht schlimm? Doch. Es ist die Hölle. Das ist Isolationshaft, weil man das Opfer ist und Hilfe braucht und dennoch ausgegrenzt wird und diese Gefühle dürfen wir nicht zeigen, weil das wieder zu schwer wäre und das zu schwer sein ist ja der Grund warum es ein Tabu ist. Es hilft auch nicht, dass die Psychologen dafür inzwischen eine Fachbegriff der sekundären Victimisierung eingeführt haben. Also machen wir uns dauernd leicht, sind Pausenclowns oder Helfer, Therapeuten um wenigstens darüber dabei zu sein... und Einsamkeit tut so weh. Es tut so weh. Gestern sagte eine Buchautorin, es nützt auch nichts wenn man ein Buch schreibt, 5000 Facebookfreunde  hat und auf Podien eingeladen wird – die Einsamkeit bleibt.
Was tatsächlich hilft ist zu spüren, dass es allen die ein schlimmes Trauma erlebt haben so ergeht.
Ich bin seit Jahren krank und lasse mich nicht krank schreiben, weil ich Angst habe, dass ich dann die paar Fäden an menschlichem Kontakt auch noch verlieren. Auch das habe ich gestern mehrmals gehört in den Geschichten der andere Überlebenden. Wenn ich nicht mehr arbeite, sehe ich ja niemanden mehr. Und ich hab Angst vor dieser Isolation, die ich im Innern immer fühle. Also arbeite ich weiter und ich kann aber nicht mehr. Ich bin völlig ausgebrannt davon.
Ich hab grad überhaupt keine Ahnung, was ich hiermit mache. Ich hab die ganze Nacht wach gelegen und geweint. Ich kann mich nur endlich krank schreiben lassen und mich der größten Angst meines inneren Kindes stellen und sie begleiten.
Ich begleite dieses innere Kind schon seit Jahren und helfe ihm die Einsamkeit tragen, dann sind wir innen gemeinsam – ich kann mich versorgen, meditieren und gut für mich kochen und schöne Zeit mit mir verbringen – doch was ich, auch die große Frau, eigentlich will sind Verbindungen, Menschen, Freundschaften, eine Mann. Ich habe noch nie eine Liebesbeziehung auf Augenhöhe, gesund und tragend gelebt. Mir ist all das Geld und Prestige und Ansehen völlig wurscht, ich möchte verbunden sein und fähig sein, dies zu leben ohne dass ich innerlich dafür arbeite. Und ich hab kein Ahnung wie das geht. Und ich bin genauso und ich mag das nicht mehr verstecken. Ich mag meine ganze Verletzlichkeit und meine Schwere hier zeigen. Denn genauso bin ich. AHO

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