Tag 6
Über Geben, Empfangen und
Nehmen, Teil 3/3
Über wie man den Mangel, der hinter dieser Verwirrung steckt, wieder füllt.
Ich durfte in den letzten Tagen Zeugin eines tiefen Prozesses sein. Mein Enkelkind hatte seine erste Krankheit mit richtig hohem Fieber. Meine Tochter hat sie ganztägig im Arm gehalten und mit Liebe umhüllt. Das Kind durfte quängeln soviel sie wollte, weinen, wüten und schlafen. Was immer kam, meine Tochter hat ihr Kind einfach liebend gehalten und nicht einen Moment weggelegt. Ich habe noch nie so schnell eine Krankheit durchfließen sehen, wie da. Und es ging meinem Enkelkind richtig schlecht. Das war alles andere als leicht. Es war anstrengend für die Mutter. Sie hat alles andere liegen und stehen gelassen und hat sich dem gestellt, was immer kam, sie war da mit voller Liebe im Herzen. (Meine Tochter hat gefragt, warum ich das so wichtig finde zu erwähnen, weil es doch so "normal" wäre. Ich habe ihr gesagt, dass wenigstens meine Generation ganz anders groß geworden ist. Wir lagen in unseren Betten und wurden dort versorgt. Eventuell wurde unser Schreien und weinen sogar überhört - den Willen des Kindes brechen... ein Kind 24 Stunden im Arm halten ist eine andere Dimension von Liebe mit der es gefüllt wird. Ich wünschte, wir hätten das alle erlebt. Ich wünschte, ich würde eine Gesellschaft erleben dürfen, inder das alle erlebt haben. Dafür muss ich wohl nochmal in den Urwald, wo die normalen Menschen leben.)
Was meine Tochter tat, ist genau was ich lehre, wenn ich innere Kind Arbeit mache. Wir nehmen unsere Gefühle wie Innere Kinder auf den Schoß und fühlen sie. Liebe sie, halten sie – und es dauert so lange es dauert. Und ja, es tut weh und es ist manchmal eklig, fies und grausam. Es ist so oft nicht zum aushalten und dennoch geht es genau darum, dass wir uns halten. Das wir uns aushalten und da bleiben und dran bleiben und uns lieben – gerade dafür, dass wir fähig sind solche Gefühle zu fühlen. Wir sind Menschen und geboren fürs Fühlen. Genau deswegen sind wir hier. Wir wollen Erfahrungen sammeln und erfahren heißt fühlen. Und das Paradoxe ist eben, dass die, die denken, kann ich nicht, hab ich keine Zeit für, ich muss arbeiten gehen, oder oder ewig brauchen und krank werden von ihren Gefühlen und einen Alltag serviert bekommen, der sie immer mehr dazu zwingt endlich zu fühlen und die, die ihre tägliche Meditation machen und sich die Zeit für sich nehmen, die werden wie ein Wunder gesund, haben Zeit für ihre Arbeit und sich. Und haben ein glücklicheres Leben obwohl und weil sie fühlen.
Schließen wir den Kreis, machen ihn zur Kugel, darin fühlt sich besser als alles denkend auf der Scheibe zu betrachten. Wenn ich meinen Mangel heile, fließt Gebendes aus mir und ich Empfange ohne Handel. Schuldfrei. Jedesmal wenn wir Wut oder Ungerechtgkeit im Tauschgeschäft der Beziehungen spüren, dürfen wir noch ne Runde Mangel heilen. Hosen runter lassen und uns öffnen. Dieser Mangel hat nichts mit der dicke des Bankkontos zu tun – diese Egoverwechselung ist nur ein Ablenkungsmanöver. Im Ende geht es nur ums Hose runter lassen – was das gleiche wie Schutzmauern einreißen ist, damit unser Eierschalen-freies-schutzloses-Dasein, unser Urdasein wie als Säuglings, der aus Dank eine Liebe verschenkt, die uns dahin schmelzen lässt, wieder auferstehen kann. Denn das sind wir im tiefsten Kern alle: Licht und Liebe in Hülle und Fülle. Und in diesem Punkt fällt das Polaritätspaar Geben und Nehmen einfach weg und verwandelt sich in Geben und Empfangen. Bedingungslose Liebe eben. Mehr gibt’s nicht. Mögen wir alle heile sein, in diesem Leben, dafür gehe ich. AHO
Acryl, Bleistift auf
Papier, 50 x 60 cm, 2016,
„Keine Ahnung“
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