Tag 4
Über Geben, Empfangen und
Nehmen, Teil 1/3
Meine Freundin Nicole hat
mir letzte Woche in drei Sätzen ein Grundprinzip des Ungleichgewichts in Beziehungen
erklärt. Wenn ein Partner zB dem anderen sein Studium finanziert, dann bleibt
der empfangende Teil etwas schuldig und wenn das nicht ausgleichen kann, dann
erträgt er irgendwann seine Schuld nicht mehr und wird wütend auf den, durch
den das vermeintlich ausgelöst wurde, den gebenden Partner, und provoziert zB Streit
um seine Wut rauslassen zu können, über die er meint seine Schuld loszuwerden. So
oder ähnlich laufen unbewußte Beziehungen und ich kenne das nur zu gut. Oder
wenn wir einen Klienten behandeln, der aber aus Freundschaftspreisidiologie oder
oder nicht zahlen brauch, baut auch dieser seine offene Rechnung in der
Projektion um in negative Emotionen gegen den Behandler. Sehr spannend, denn
dieser Baustein, der verdrehten Projektion fehlte mir im Bewusstsein und ich
bin voll verwickelt in diese Verwirrung. Hier liegt ein unbewusstes uraltes
Gefüge verborgen, was der Beleuchtung von mehreren Seiten wert ist. Ich geh mal
wieder auf Perlentauchstation im Schattenmeer.
Ein Phänomen dieses
Konstruktes ist, dass der empfangende Teil nicht wirklich empfängt, sonst würde
keine Schuld entstehen. Ich hab echt Probleme das Wort Schuld zu benutzen, weil
da kirchengeschichtlich soviel Gewalt mit betrieben wurde. Ich versuchs
dennoch. Wahres Empfangen ist frei. Bedeutet absolut unschuldig offenen Herzens
sein, wie ein Kind, wie ein Säugling, der die Liebe, die Fürsorge, die Muttermilch,
das im Arm gehalten sein empfängt – frei von Rückzahlung – es ist
selbstverständlich das wir all dies empfangen. Jedes empfangen ist
selbstverständlich, Wunder und Geschenke sind unser tägliches Dasein – doch wo
ist das geblieben? Wir sind gemacht damit wir empfangen. Genauso wie jeder Baum
das Wasser empfängt und die Nahrung aus dem Boden – wie jedes Tier all das
empfängt, was es braucht. So ist unser Urdasein – wir sind jedes Geschenk wert
und auch jedes, was wir uns zutiefst im Herzen wünschen. Woher kommt diese
Konditionierung auf „Vorsicht, da schenkt dir einer was – gleich es ja sofort
aus, damit du ihm nichts schuldig bleibst.“ ?
Vielleicht ist das Karma
der Menschheit da tätig, denn wir Menschen im Unterschied zu allen anderen
Lebewesen sammeln, horte und töten nicht nur für den Bedarf des Überlebens. Wir
nehmen uns viel mehr als uns zusteht, schon alleine daraus entsteht eine Schuld
gegenüber Mutter Erde, gegenüber allen Lebenwesen, die sich in dieser
verdrehten Projektion ganz mies auswirkt. Doch abgesehen von dieser globalen
Karmageschichte gegenüber Mutter Erde, wovor hat der Empfangende noch Angst,
wenn er ein Geschenk voll reinlässt in sein System? Wir werden, wie rohe Eier
ohne Schale, absolut offen, berührbar und empfindsam geboren. Es gibt da keinen
Gedanken, ob wir dieses Geschenk wert sind oder was wir dafür leisten müssen,
wenn wir es bekommen. Wir nehmen als Säuglinge einfach alles auf. In meinem
System schreit gerade alles, weil ich schon als Säugling Sachen in mich hinein
gespritzt bekam, die mich vergiftet haben. Ich habe Schutzmauern gebildet, hohe
Mauern, dicke Mauern. Und damit ich empfange muss ich mich öffnen, die
Schutzmauern runter fahren. Für jeden Menschen der mir etwas schenkt, fahren
ich mein Schutzsystem runter. Es gibt auch Geschenke, darüber schreibe ich
noch, die sind mit Ketten und Fangseilen und Saugnäpfen versehen – vor denen
ist der Schutz eine gesunde Wahl. Geh ich da also weiter rein, dann finde ich
guten Schutz und Schutz, der aus alter Gewohnheit noch da ist. Wir dürfen
lernen diese beiden Sorten Schutz zu differenzieren und unsere gewohnten
Abwehrmauer runterfahren, damit wir wieder empfangen können. Sonst bestrafen
wir uns selber und wundern uns warum die Wunder ausgerechnet um uns einen Bogen
machen und die Geschenke, obwohl wir wissen, dass sie abgeschickt wurden, nicht
ankommen in unseren Herzen. Warum wir uns schuldig fühlen den Absendern der
Geschenke und nicht genährt von ihnen.
Mögen wir also alle wieder Empfangen lernen, damit Wunder geschehen können. AHO
Acryl, Bleistift auf
Papier, 50 x 60 cm, 2016,
„Keine Ahnung“
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