Tag 5
Über Geben, Empfangen und
Nehmen, Teil 2/3
Ich geh jetzt auf die
andere Seite, auf die Seite des Gebers. Das Prinzip von Geben und Empfangen ist
kein Handel. Geben geht ohne zurück bekommen, Geben ist ein Geschenk. Sonst
heißt Geben, Fordern. Also dürfen wir uns überprüfen, ob an unserem Geben nicht
die Forderung des Dankes, des „dafür bleibst du aber bei mir“ oder andere
verworrene Ideen stecken. Wenn ich ganz ehrlich mit mir bin, habe ich in
manchen Beziehungen sogar die Botschaft mitgeschickt: das was ich hier
großartiges für dich tue, kannst du niemals ausgleichen - da kannst du tun was
du willst - puh, wenn ich diese alte Stimme in mir höre, dann spüre ich richtig
Rache, die da raus spricht und frage mich wieso? Spricht da meine alte Wut auf
Gott, von dem im Ende alle Geschenke kommen? Ich höre meine Unverzeihlichkeit,
eine Stolperfalle, die ich mir selber immer noch stelle. Denn der Schmerz der
inneren Kinder heilt nicht durch Rache, sondern indem wir sie halten und
trösten – nicht der Täter oder irgendein Ersatz, sondern wir selber. Wir sind
die einzigen die unsere innere Kinder erreichen können. Auch wenn wir uns so
danach sehnen, dass Mama und Papa oder Ersatzmama und Papa in Form von Partnern
und Chefs oder oder das für uns tun. Diese Dimensionsverschiebung funktioniert
nicht. Nur wir selber können Innen an unsere inneren Kinder gelangen und ihnen
geben, was ihnen fehlt.
Ja, Geben gleicht sich aus, aber Vorsicht, wenn wir geben
UMZU ist es kein Geben. Eventuell empfangen wir aus ganz anderen Quellen als
die, in die wir gaben - der Ausgleich des Universum an Fülle passiert nicht im
Handelssystem, wie wir es hier auf der Erde erfunden haben. Unser Handelssystem
ist vom Ego erfunden, nicht aus der Liebe.
Und noch ein anderer Blick
auf Geben, Empfangen und Nehmen: Ich habe viel und oft gegebene, weil ich mich
klein gemacht habe. So wie ich bin, fühlte ich mich früher wertlos. Ich hatte
das Konstrukt in mir, dass ich mein Dasein kompensieren muss mit viel Leisten,
um eine Berechtigung an Aufmerksamkeit zu bekommne. Noch schräger sogar, der
Täter meines Kleinkind-Traumas hatte mir gesagt, dass unter meiner hübschen
Haut ein Luder versteckt wäre – ich hatte keine Ahnung was das ist, nur das es
etwas besonders Böses sein musste. Zwei Folgen verfolgten mich lange: ich
traute mich nicht mein wahres ICH zu zeigen – das was unter der hübschen Haut
lag – und ich bemühte mich besonders viel Gutes = gesellschaftlich Anerkanntes
zu tun, um von dem Bösen abzulenken. Dadurch produzierte ich einen Mangel in
mir, weil ich natürlich weder von mir, noch von Außen für mein wahres ICH
anerkannt wurde, da ich es ja ablehnte und versteckte. Jeder Lob, jede
Anerkennung den wir für unsere Masken, für die kompensierenden Rollen bekommen,
perlen an uns ab – das sogenannte Fass ohne Boden – weil wir genau wissen, dass
diese füllende Energie nicht uns, sondern der Maske gilt. Sehr fatal, wie die
kindlichen Übelebensstrategien Mangel in uns kreieren und sie fortbestehen
lässt, solange wir im alten Muster bleiben. Da das Fass nicht voll wird, wir aber
Fülle brauchen, entsteht Sucht nach mehr – ein im wahrsten Sinne wahnsinniger
Kreislauf, der da angeschmissen wird wenn wir unsere wahres ICH nicht leben.
Und wie schnell sagen wir als Erwachsene dumme Sätze zu unseren Kindern ohne
die Konsequenzen, auch wenn sie nicht so krass sind, wie bei diesem Beispiel,
zu bedenken.
Wir powern uns aus als
Gebende im Kompensationsmodus – alle die Burnout haben oder bei sich selber ein
Helfersyndrom erahnen, kennen das Spiel gut. Ich habe so viel gegeben, damit andere
bemerken, dass es toll ist, mit mir zusammen zu sein, weil sie dadurch viel
bekommen - ich spüre, neben der Anstrengung, richtig den Saugnapf in dieser
Form des Gebens, die aus dem Mangel des Gebers entsteht. Und was macht das mit
unserem Gegenüber, der soviel von uns bekommt und gleichzeitig unseren Saugnapf
angelegt bekommt? Ja klar, der wird irgendwann wütend und befreit sich und
rennt weg. Kein Wunder. So rum werden wir nicht voll. Bevor wir wahrlich geben,
dürfen wir also erstmal in uns die Verwirrungen auflösen und unsere inneren
Kinder füllen, empfangen und innerlich wachsen. Wachsen wir in unsere Größe.
In bestimmten Köpfen ist es
was Schickes, Understatement, lieber unterschätzt als ein Angeber sein - doch
verlassen wir diese Polarität, dann kommt etwas anderes daraus als Übertreiben
- die Heilung von sich kleiner machen ist nicht sich größer machen, sondern so
sein, wie ich bin - mich in meiner wahren Größe zeigen. Wie oft habe ich mit
meinem Mangel in der Tasche vor einem Galeristen gestanden, der meine Arbeit
bis dahin nur ohne meine Person kannte und gut fand und dann stand ich da, mit
meinem unterwürfigen Bitten, die sofort seine Abwehr hochfahren ließen. Einen
Moment lang mag das meinem Gegenüber schmeicheln, wenn ich ihn auf einen Thron
setze und verehre, aber unbewusst bekommt mein Gegenüber mit, das ich nicht die
bin, für die ich mich ausgeben und ihm den Thron nur schenke, weil ich was will
- mir als was klaue, was ich meine, was mir nicht zustehen würde –
Auf die eine oder andere
Weise spürt jedes Gegenüber den Schwindel und wenn er noch so unbewusst
aufgetischt wird. Und dann wird ihm schwindlig, übel oder er merkts nicht und
will einfach nur weg.
Dennoch hier liegt ein
Paradoxon, dass wir knacken dürfen: wenn diese Verwirrung des Mangels aus unserem
System verschwunden wäre, würden wir das, was wir uns wünschen freiwillig
bekommen. Sind wir in unserer wahren Größe, völlig authentisch unser ICH, sind
wir nicht nur geschützt ohne Mauern, wir können wir automatisch empfangen und
werden beschenkt. Wir spüren den Wunsch richtig in uns - doch mit dem Mangel in
der Tasche bringen wir es so schräg rüber, dass unser Gegenüber uns nur
ablehnen kann, auch wenn wir es eigentlich verdient hätten. Wie bekommen wir
den Mangel raus aus dem System? Gar nicht raus, sondern annehmen. Den Mangel
lieben. (Und zwar inklusive dieser Angst, die diese Idee auslöst) Jedes Gefühl
fließt ab, während wir es wahrlich fühlen. Solange wir das Gefühl versuchen mit
Kompensationen weg zu machen, ihm ausweichen oder es verdrängen, bleibt es da
und wir im Mangel. Weder heilt Zeit Wunden noch verschwindet irgendwas über
Nacht. Das Paradoxe für unseren Geist ist der Weg: Wenn wir in uns, uns unseren
Mangel eingestehen, ihn fühlen mit all seiner Verzweiflung, uns ihm100%
hingeben, dann kann er abfließen. Je schlechter wir fühlen können, desto mehr
inszeniert das Leben den Alltag so, damit wir es fühlen können. Je besser wir
es fühlen können, desto leichter wird der Alltag. Fühlen bedeutet ja sagen, das
Gefühl lieben, es annehmen, es da sein lassen, solange es eben braucht. Aber
vorsicht, tun wir dies nur damit der Mangel geht, mit einem UMZU, diesen Trick durchschaut jedes Gefühl
in uns, dann ist es nicht wahrlich gefühlt – dann suchen wir nur nach einer
neuen Idee zum Ausweichen. Ich hab es schon oft gesagt, ein wahrlich gefühltes
Gefühl flutet unseren Körper in 90 Sekunden. Wenn wir den Widerstand, die Angst
vor dem Gefühl loslassen und es hindurch darf.
Mögen wir alle unseren Mangel heilen, denn uns gemeinsam gehört die Fülle die Mutter Erde uns schenkt. Den Pflanzen und Tieren und uns Menschen, einer der vielen schönen Tierarten dieses Planeten. AHO
Acryl, Bleistift auf
Papier, 50 x 60 cm, 2016,
„Keine Ahnung“
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