Samstag, 13. Mai 2017

Erleuchtung heisst heilen, nichts weiter // Tag 3

Tag 3
Über Trigger, Teil 3/3
 
Wo fängt die Wahrheit an? Wie geht es dir? Gut, ja richtig gut.
Ich war 16 und konnte damals schon abkotzen über diesen netten verlogenen Smalltalk. Ich entschied mich dagegen und seitdem fühle ich jedes Mal nach in mir, wie geht es gerade... und geht es mir scheiße, dann sage ich das. Geht es mir gut, sag ich auch das. Geht es mir viel und unterschiedlich, sag ich das. Ja, ich ernte manchmal: das wollte ich jetzt aber nicht hören – und seit neuestem denke ich, dann fragt nicht. Im Spanischunterricht letzte Woche erhielt ich einen Vortrag über Höflichkeit als ich nachfrug was denn „Mir gehts nicht gut“ heißt – denn diese Variante kam gar nicht vor im Schulbuch. Meine Lehrerin erklärte mir, dass es unhöflich sei jemandem die Wahrheit zu sagen auf die Frage, wies mir geht. Mich macht das tieftraurig.
Vor ein paar Wochen traf ich einen Bekannten wieder, den ich sehr gerne mag. Und er frug tatsächlich „Was macht dein Geschäft?“ als ersten Satz. Während ich ihm wahrheitsgemäß erklärte, spürte ich Wut in mir auf kommen – Wut darüber dass ich mich offenbare und wiedermal auf die Frage herein gefallen war – aber das merkte ich erst später. Ich schaffte es immerhin meine Ausführungen abzubrechen und zu fragen, was denn diese doofe Frage solle, ob er nicht mit mir, nachdem wir uns so lange nicht gesehen haben, über was Besseres reden mag, als über mein Geschäft. Die Bahn kam, er zog eine Fahrkarte und kam wieder, sichtlich angepisst von mir. „Du kennst mich doch. Du weißt, dass mich dein Geschäft überhaupt nicht interessiert.“ Das stimmt, aber muss ich um die Ecke denken und ahnen, was die Menschen wollen wenn sie andere Wort sagen? Zumindest bin ich dafür nicht genug auf Zack – ich glaube, was mir jemand sagt. Und es gibt sogar einen Trotz in mir, der will gar nicht um die Ecke denken und wissen wie jemand was meint. Und ehrlich gesagt hat mich seine Antwort noch tiefer verletzt, warum fragt er überhaupt? Was ist das los zwischen uns? Er ist auch spirituell gebildet und fügte hinzu: „ Ich spiegle dich doch nur. Da stehst du doch drüber, Nina.“ Als ich dann sagte und ich spiegle dich, kam ein toller Satz: „Spiegel gegen Spiegel.“
Ist das nicht der Wahnsinn. Lasst euch diesen Satz bitte auf der Zunge zergehen. Da lernen wir dieses tolle Werkzeug – er ist ein Vywamusschüler, Künstler und hochsensibel im sozialen Bereich – und was tun wir damit? Wir wenden es wieder gegeneinander ein. Waffe gegen Waffe, Schmerz gegen Schmerz, Leid gegen Leid. Das alte Racheprogramm heißt bei uns Spirituellen dann Spiegel gegen Spiegel. Ich hab mit dir nichts zu tun, alles dein Problem, heißt das.
Zu Hause schossen mir an jenem Tag die Tränen in die Augen und das war das ungeliebte Mädchen, was gerne von diesem Mann freundschaftlich gemocht worden wäre. Wollte er nur höflich sein und ich öffne mein Herz und bin damit unhöflich? Überfordere die Menschen? Das denke ich nämlich über mich und spüre nach und finde sofort den Anteil in mir, der so gerne als Kind gesagt hätte, wie´s ihm wirklich geht und da war niemand, der es hätte hören wollen oder können.
Ich stehe auch ratlos da – denn ich möchte auch nicht von jedem wissen, was gerade bei ihm los ist. Ich möchte dann nicht mehr fragen. Auf der anderen Seite liebe ich diese kleinen Begegnungen und ohne jetzt eine ganze Geschichte erzählt zu bekommen, kann ich spüren, wo jemand steht und ihm ne Portion Liebe schenken oder ein Lächeln oder ein ihm wirklich sehen. Ich höre mal wieder What a Wonderful World von Louis Armstrong und der sagt: I see friends shaking hands saying how do you do. They're really saying I love you.
Spiegelt mir mein Bekannter meine eigene Abweisung Menschen gegenüber? Ja klar. Meine Unsicherheit und mein Desinteresse. Und habe ich vielleicht mit 16 eine der Pubertät entsprechende Entscheidung getroffen, deren Trotz ich jetzt mit fast 50 wieder rausnehmen könnte, oder? Ja. Wenn ich jedes Mal mein Herz öffnen könnte, wenn mich jemand fragt, wie es mir geht und spüren würden, dass er mir gerade sagt, dass er mich liebt – dann könnte ich die Welt und die Menschen anders ansehen. Nichts anderes wollte meine Entscheidung mit 16 – mein Gegenüber achten und mit Wahrheit den Weg der Liebe pflastern.
Ich darf um die Ecke hören lernen? Ja bitte – aber ich bin so naiv, dass mir das oft nicht sofort einfällt – nein, noch anders: wir alle könnten unserer Wahrnehmung wieder trauen und nicht den Worten, die ausgesprochen werden. Das macht Sinn.
Und ich bin es die meinen inneren Anteil endlich hören darf. Dann kann ich auch die Erwartung ans Außen lassen und einem Bekannten gegenüber treten ohne das er mein inneres Kind retten soll bei der Frage nach dem wies mir geht. HEyhey, ich schick dir die Liebe hinterher, die ich vor lauter Erwartungen dir nicht schenkte, liebster Bekannter! AHO
Und heyhey, meine Kleine, die du die ganze Kindheit nicht sagen durftest wies dir geht, ich höre dir jetzt zu. Ich bin da und ich interessiere mich für dich. Und ich weine auch mit dir, ich kann dich spüren, in dieser unendlichen Einsamkeit aus der auch kein ernst gemeinte Frage nach mir heute dich rettet. Ich heute bin die einzige, die dich von damals retten kann. Heyhey, mein kleines Mädchen, ich bin da. Wie geht es dir, mein liebes Mädchen. Ich liebe dich. AHO
Und es geht noch weiter, hier liegt noch mehr Wahrheit. Die Pubertierende wußte es nicht besser sich zu retten als endlich die Lüge, es ginge ihr gut, mit es geht ihr schlecht zu ersetzen. Ein der Entlastung dienender Überlebensweg. Und was tut man, wenn man spürt, es geht einem richtig Scheiße, aber der Grund ist so tief verdrängt, dass man ihn selber nicht greift? Wir übertragen also innerlich die alltäglichen Probleme und hängen sie an die alte Wunde - die Wunde triggert und wir hängen innerlich unsere Alltag daran. (Wie beim Trigger, Tag 1 erklärt, hängen wir innerlich an den Haken des Alltag den ganzen Mantel auf und daraus entsteht eine Schieflage in uns.) Natürlich, wenn wir das dann einem erzählen, kapiert mein Gegenüber nicht, warum mich dies so schlecht fühlen lässt. Ich weiß auch noch, dass ich früher oft und viel übertrieben habe - damit die Alltagsprobleme sich anpassen an das schlimme Gefühl in mir - Dramaqueen - und ich habe es gehasst wenn mich jemand so nannte. Weil darin ein nicht ernst nhemen liegt und das Gefühl war echt - ich wußte nur nicht wie dran kommen. Hinter jeder Dramaqueen steht ein unaufgedecktes, unbewußt um Hilfe schreiendes Trauma, dem Ausdruck verliehen wird. Das innere Kind, was da um Hilfe ruft, ist tief verborgen und der Mensch selber hat im Bewußtsein keine Ahnung von den Kräften, die da in ihm schreien - das läuft alles völlig unterbewußt ab. Doch diesen Spagat, den bemerkt jeder und das der oder die Dramaqueen nicht dran ist an ihrem wirklichen Thema, spüren wir als genervt sein und wollen uns am liebsten abwenden. Wir sehen von Außen, dass da jemand Extrarunden dreht ohne sein inneres Kind zu hören - und das Dilemma ist, dass genau an der Tür, hinter dem das traumatisierte Kind versteckt ist, ein blinder Felck liegt und die Person selber spürt dies noch weniger als wir hier draußen. Die Person spürt nur die Ablehnung der Menschen gegen das Drama - und ja, sie spiegelt die eigene Ablehnung des inneren Kindes (was sooft gehört hat, stell dich nicht so an, oder oder). Ich erinnere mich gut, wieiviele Menschen sich früher abwandten von mir. Die verwirrungstiftenden Notfallrufe eines sich unbewußt vom Trauma abwendendem Überlebenden können einen zutiefst beängstigen. Sie zeigen uns die Hilflosigkeit anderen gegenüber auf, denn jeder würde gerne helfen, aber keiner kann die inneren Kinder eines Gegenübers retten. Wir können das Feld halten mit stoischer Liebe, damit irgendwann jede Dramaqueen ihre Gefängnistüren der eigene inneren Kinder wiederfindet. Gesegnet sei dieser Tag. Und wir können in uns erkennen, dass jeder das Prinzip der Dramaqueen lebt - jedes Mal wenn auf einen Trigger reagieren - ob im Kleinen oder im Großen und uns nicht unseren inneren Kindern widmen sondern auf die angebotene Bühne des Triggerers springen. Ein Stück unseres Lebens ist Drama, deswegen lieben wir Filme und jeder 3 Akter, jedes innere Drama bringt uns Stück für Stück, Schicht für Schicht wieder dichter an unsere inneren Kinder. In ihnen liegt Heilung, das Licht und die Liebe.  AHO

Acryl, Bleistift auf Papier, 50 x 60 cm, 2016,

„Keine Ahnung“

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