Samstag, 18. Juni 2022

Ich schüttle meinen Arsch.


Und der Satz der mich antreibt ist: „Beweg dich. Beweg deinen verdammten Arsch.“ Nein, er ist nicht fett und ich bin auch kein Masochist, ich will einfach heilen. Die Verdammnis beweg ich. Ich spüre meine Wut, sobald die Taubheit auftaut wie Eis. Ich bin nicht mehr einverstanden mit dieser Verdammnis! Ich renne und boxe dabei und schüttle was das Zeug hält. Ist gar nicht so einfach. Ich denke an afrikanische Frauen bei denen der Po beim Tanzen nur so zittert und die damit wunderwunderschön aussehen. Bei mir wabbeln die Brüste und der Bauchspeck, aber im Po sitzt nen krasser Stock. War mir nie so klar. Und der Satz, der dazu gehört ist: „Das Leben tobt da, wo die anderen sind.“

Ich seh meine Geschichte dazu, mich als Kleinkind auf meine Eltern warten, warten, warten. Mal Wochen, mal Monate, mal nur Tage. Ich seh das dunkle Haus und die klebrige Energie in der ich warten musste. Und das ich weder wild, natürlich, lachend und schon gar nicht traurig und wütend sein durfte. Ich sollte still sein, gehorchen und lieb sein, vor allem lieb sein sollte ich. Eingefrorenes Grinsen und immer hilfsbereit und lustig. Ich war einen Monat alt und dann irgendwann auch vier Jahre. Klitzeklein. 

An dieser bewegungslosen tauben Stelle am Arsch hängt weder Missbrauch noch die Schläge, die ich bekam in dem dunklen klebrigen Haus – es ist das verdammte Warten, was mir am Arsch hängt – das von anderen aufgezwungene Warten. Und da wo meine Eltern hingingen da tobte das Leben und ich durfte nicht dabei sein. Ich war auch neidisch. Ich bin immernoch neidisch auf alle anderen, bei denen das Leben tobt. 

Kein Trauma, was ich alleine gepachtet habe – oh nein, es sind so viele, die das mit mir teilen. Ob in klebrigen Großelternhäusern abgegeben oder in Kitas und Babykrippen – da sitzen Wartesaal-Kollpas*kinderseelen in uns, die vielleicht noch spüren, was sie sich wünschen würden, aber die wie festgefroren, bewegungsunfähig nicht das tun, wonach sie sich sehnen.

Oder sie brauchen einen Partner um sich zu bewegen. Oder sie brauchen einen Job um sich zu bewegen. Aber alleine bewegen und vielleicht auch ist das Wissen, was genau es ist, was lebendig macht – so tief unterm Eis verschwunden, wie Timbuktu.

Lebendig sein ist glücklich fühlen. So einfach ist das – Lebendigkeit ist der Schlüssel. 

 

Ich hab grad ein Schüttelworkshop bei Ilan gemacht. Ilan Stefanie, eine Koryphäe in Sachen Traumaarbeit mit Schütteln. Vagusnerv aktivieren. Googelt sie, es gibt richtig viel von ihr auf Youtube. Break free. Yeah. 

Und in mir bewegt sich alles. Die Taubheit schmilzt, die Blockaden brechen auf und ich fühle und fühle und fühle – das ist Lebendigkeit. Ich bekomm mit, wos hin geht, doch jetzt gerade sitz ich mitten drin – ich spür den Kollaps so krass. Wie eine Glocke spür ich den Raum um mich. Über mir am Kopf am meisten. Mein Gefängnis, in dem ich es mir schön gemacht hab. Aus dem ich ausbrechen will. Ich will durch die Decke gehen und die Welt da draußen spüren. Ekstase spüren. Die Kleine und die Große – einfach das lebendige Leben, einfach die Energie der Lebendigkeit, wie kaltes Wasser in das wir springen. 

Es ist verrückt: ich will zB Schwimmen gehen. Der See ist um die Ecke, mein SUP ist startklar und ich schaffs nicht. Ich sitze den ganzen Tag in meinem Garten, mach hier was und da was – hier im Cocon hab ich viel zu tun – und ich schaffs nicht raus. Wäre da doch ein Partner oder die Nachbarin oder würde ich jemanden kennen am See – damit habe ich mich früher immer rausgeredet - doch darum geht es nicht – es geht jetzt endlich darum, dass ich alleine meinen Arsch hochbekomme und dann können ja alle da sein. Und so sitze ich hier und spüre meine gesamte Unfähigkeit, meinen Stock im Arsch, meine Gelähmtheit. Es nützt auch nicht der Satz: Ja, mach doch einfach. Fahr doch los. Ist doch ganz einfach. Nein, ist es nicht und es tut weh im Herzen, jede einzelne Minute. Wenn ich das könnte, würde ich es tun. Das hier ist die Hölle. Zu wissen, da draußen ist das tobende Leben und ich bin hier eingesperrt. Das genau ist der Kollaps*. Das genau ist die Traumareaktion, die nach all den Therapien, nach all den Versuchen bis heute keine Auflösung gefunden hat. Schwimmen gehen ist nur ein Beispiel und jeder hat das an anderen Stellen, wenn ersie im Kollpas festsitzt. Und es ist so alt, wie ich alt bin – „Das Leben tobt da, wo die anderen sind.“ Und ich muss hier bleiben. Und ich schüttle diese Scheiße jetzt auf! 

 

Es gibt ein tiefes Versprechen, was meine Seele mir, dem Menschenkind, vor dieser Inkarnation gab: diesmal, meine Kleine, diesmal wirst du aufwachen, wirst du lebendig sein. Ich statte dich mit soviel Lebendigkeit aus, dass dein Sehnen dich ziehen, antreiben und schuppsen wird. Du wirst leben! Ja und so stehe ich schon seit vielen vielen Jahren da und forsche über die Lebendigkeit, über die Schönheit des Lebens, die mich in meine Schatten führte, die mich Fühlen lehrte – Schmerz und Ekel, Trauer und dann zuletzt auch wieder Wut – die war am tiefsten weggepackt und hat nun die größte Sprengkraft für dieses Gefängnis. Ich schüttel meinen Arsch! Was das Zeug hält. Und ich bin bereit, endlich bereit, dass ich all die Scheiße fühle, die mein Arsch festhält und versucht hat auszuweichen. Ich schüttel meinen Arsch auf das mir die Scheiße um die Ohren fliegt, bis gut ist. Bis all der alte blöde Mist endlich raus ist. Denn der Vagusnerv muss ein bisschen nachholen – wenn er nicht weglaufen konnte – dann darf er jetzt rennen. Wenn er nicht kämpfen durfte, dann darf er jetzt Luftboxen und schreien und Grimmassen ziehen. Ich bin gefährlich! Meine Grenze übertritt keiner mehr! Niemals wieder! 

 

*Kurz: Was ist ein Kollaps? Wir kennen alle die Instinktreaktionen, die in uns aktiver sind als alle Gewohnheiten, Übungen und Zwänge: Flüchten, kämpfen oder Freeze. Todstellen. Doch wenn all das nicht funktioniert hat und ein Trauma … und Warten ist für ein Baby in den ersten vier Jahren ein Trauma und diese altkulturelle Erziehung von schreienlassenden, willenbrechenden Babys hat uns tief traumatisiert – denn wir lernten: was wir wollen führt dazu, dass man uns Warten lässt. Wir dürfen nicht wollen, wir sollen den Arsch stillhalten und Klappe halten und warten bis die anderen es richtig finden und uns geben, was sie für richtig halten. Prima Glaubenssatz – krasses Trauma eben – und wenn wir zu klein waren zum Weglaufen, wenn Kämpfen, Wut also, nicht geduldet wurde und Todstellen zur Gewohnheit wird – dann nennt man das Kollaps. Der Begriff bezeichnet den Zustand von schmerzfrei Sterben in der Biologie – viele Lebewesen überleben das nicht, wir Menschen oft schon – und in diesem Kollaps sitzen so viele von uns – wir nennen das zB Depression. Körperlich taub, gefühllos und so unlebendig wie möglich, bis der Körper aufgibt und eben stirbt. So kann man sein ganzes Leben verbringen. Abgestellt, fremdbestimmt, so wenig wie´s geht von sich selbst mitbekommen. Eine andere Art wie Drogen nehmen, mit der gleichen Wirkung. Aua, richtig aua und – kulturell bedingt wie eine Seuche, die uns alle irgendwo gepackt hat. 

Ich atme tief ein und aus und ich spüre meine Instinkte wieder: ich will meinen Arsch weiter schütteln! 

 

Sonntag, 5. Juni 2022

Being yours wasn´t easy for me.

 

Der Weg schiebt sich
beim Laufen unter die Füße


Being yours wasn´t easy for me.

Wo war der Weg nur, der sich sonst so unter die Füße legt. 

Der mich immer weiter trug

Der Glück und Wunder brachte, immer, irgendwo

Irgendwann gabs immer ne Überraschung

Freigetanzt, geatmet, gelacht 

und die Kraft meines Willens mich schütteln gespürt. 

Ich wusste immer, das Dazwischen ist die Pause, 

und dann wird’s wieder bunt, wild und ungestüm.

Ich liebe die Bewegung und die Weite.

Wellen von allem – von Traurigkeit bis Ekel und Wut 

wechselten sich schon immer ab 

mit Leichtigkeit und Lachen. So ist Leben. 

Kleine Runde gedreht und morgens wieder im Licht erwacht.

Getanztes Leben das sogar Traumen löst, tiefste Verwirrungen entwirrt 

und immer Liebe schenkt.

 

Doch plötzlich war Dunkel, Stille.

Wie eine Fatamorgana im dichten Nebel sah ich dich

Kaum auszuhalten. Das Warten. Unerreichbar.

Meine Seele entschied und ich ging mitten rein. 

Panik. Feuerchaos in der Herzkammer. Flimmern.

Immer wieder blitzte da sein Regenbogen im Dunkel auf

So bunt, so glitzernd. Volle Faszination.

Ich folgte diesem Traum. 

Immer tiefer, immer weiter folgte ich in sein Labyrinth

Kein Hauch von Luft, kein Atem

Alle Wunden, die jemals gefühlt, schrien gleichzeitig auf. 

Blubbernde Vulkane, überall – ich wusste nichts von solchen Räumen

Bevor ich diese betrat.

 

Ich betrat Höllen und Kerker als Schamanin. Seelenretten. 

Licht bringend, Schätze findend

Doch nie vorher fand ich solch verwirrt gebauten, vollgeschlammte Keller

alle Liebe, alles Licht schluckend, geschützt von Tarntheaterbühnen. 

Missbrauch kann so perfide sein. Echter Wahnsinn.

Die Wege darin mir so fremd.

Mein Rettungsanker, rief das Kind in mir. Wahnsinn, was tut sich da auf. 

Schönster Mann, liebster Freund, Reisebegleiter, feinster Liebhaber

Echter Wahnsinn gewachsen über Generationen, niemals befreit, nur getarnt.

Räume voller toxischer Feuerfässer, 

die auf Öffnung warten und nach Erlösung schreien.

Menschheit, was schlummert in diesen Tiefen. 

Bevor nicht der Schwächste genährt und erwachsen, sind wir alle nicht befreit. 

 

Da wo die schlimmsten Greultaten tiefste Wundenfurchen zogen

und wo seit beginnender Patriachatsillusion 

alle Türen verschlossen vor der Wahrheit Licht. 

Wir können so tun, als gäbe es diese Höllen nicht.

Doch ich habe sie nun erlebt und keinen Ausweg gefunden.

Froh, dass ich meinem Faden nach draußen folgen konnte

Lies ich ihn zurück. Ich lies ihn zurück. Schlimmster Schmerz, versagt, verloren. 

 

Jede Hölle, jede Angst ist eine Illusion. Ist Fatamorgana. 

Doch nichts, nichts hilft dem, der sich entscheidet 

diesem Raum Glaube zu schenken.

Dann wird sie wahr und erfüllt ihre Versprechen bis ins tiefste Detail.

Wiedererkennend das Gefühl: ich kann nicht helfen. 

Ohne Macht. Ohne Idee ging ich fort

Meine Hand, gereicht, voller Liebe, Kraft und Stärke. 

Die Fackel für den Weg bereit, 

doch verschmäht der Weg der Liebe.

Verglühte Regenbögen, tausende. 

Versinkende Männlichkeit, ausgepowered auf den eigenen Bühnen des Fakes.

Hohle Masken, traurige Regenherzen 

 

Ich durfte mein Kind retten auf meinem Weg da unten.

Es gab eines in mir, dass saß vor solch verschlossener Tür 

seit frühester Kindheit.

Die Fremde hieß sie. Sie kam mit mir heim 

und tanzt nun mit einem Lorbeerkranz, geliebt und wachsend.

Da ist wieder Weg unter den Füßen

Und freie Luft 

Liebende Menschen, verbunden und tanzend

 

Doch so viele sind da unten in den Höllen von denen sie glauben, sie wären echt.

Die Weisheit spricht, nur er kann sich retten. Genauso wie sie. 

Keine Erfahrung kann geredet, übertragen oder ungehandelt Fesseln lösen. 

Und nur die eigene Liebe für sich wird die Illusion ablösen.  

Du, die Frau, bist ihr und sein Bruder und darfst hier draußen voller Vertrauen 

lieben und weiter das Licht tanzen.

Weitergehen, ihn und sie und alle da unten in den Höllen

in ihrer Zeit und Raum lassen. Sie kommen. Sie kommen.

So ist Leben. Ich antworte ihr nicht. 

Ich bin zurück auf meinem alten Pfad.

Mein Herz so voll von ihm. 

Ich seh ihn lachen mit mir, obwohl nie erlebt.

Ich seh uns tanzen und um die Welt segeln – auch nie erlebt,

doch es ist da. Das eine Boot, was die vielen ersetzt. 

Und ich hisse jetzt die Segel, singe ihm ein Lied 

über die schaukelnden Wellen hinweg.

“Being yours wasn´t easy for me. I miss your face, your mind, your company”

Und der Weg schiebt sich beim Laufen unter meine Füße. 

 


Nina, Mai 2022